Richter ignoriert Haftungsprivilegierung von Diensteanbietern

Beata Hubrig berichtet bei Freifunk statt Angst von einem Urteil, das uns nicht nur überrascht, sondern auch sprachlos macht.

Eine siebzigjährige Dame teilte ihren Internetanschluss mittels Freifunk (Danke dafür!). Dabei wurde auf einen VPN-Tunnel verzichtet, schließlich wurde die Störerhaftung 2017 abgeschafft. Warner Bros. hat die alte Dame abgemahnt, da jemand eine urheberrechtlich geschützte Datei über ihren Internetanschluss angeboten haben soll. Nun darf sie 2000 EUR Schadensersatz berappen, dabei besitzt sie nicht einmal einen eigenen Computer.

Der Richter ignorierte nicht nur die Haftungsprivilegierung von Diensteanbietern. Die Rechtsprechung ist sogar der Ansicht, dass es eine Nachforschungspflicht gibt. Die alte Dame soll also potentielle Täter benennen, obwohl sie hierfür verbotenerweise umfangreiche Protokolle über alle Nutzerinnen und Nutzer ihres Internetanschlusses anfertigen müsste.

Haftungsrisiken hemmen den Ausbau von öffentlichem WLAN in Deutschland

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Dies kann nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, als dieser (endlich und im zweiten Anlauf) 2017 das Telemediengesetz änderte und die Störerhaftung für Betreiberinnen und Betreiber von WLAN-Netzen abgeschafft hat. Wir fordern die Politik auf, endlich die Rahmenbedingungen für einen rechtssicheren Betrieb von offenen WLANs zu schaffen!

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare

  1. Matty1970

    Na dann wird ja wohl euer Verein die alte Dame durch alle nötigen Instanzen finanziell unterstützen oder?

  2. lud

    Wie kommt Ihr zu der Annahme, das auf ein VPN-Tunnel verzichtet wurde?

    Der VPN-Tunnel ist m.W. doch dafür gedacht, sichere getrennte Daten vom sog. Freifunk-WiFi-Accesspoint in einem sog. Tunnel neben andere Kommuniktionsdaten zusätzlich und getrennt über ein vorgeschalteten Router (oft eine Fritz!box) mit DSL- oder Kabelmodem zu übertragen.

    Ohne VPN-Tunnel würde ich keine fremden Daten über meine Fritz!Box laufen lassen.

    1. kantorkel

      Dass kein VPN-Tunnel genutzt wurde, steht u.a. bei Freifunk statt Angst. Auch ohne VPN-Tunnel könnte man die Netze sauber trennen.

  3. lud

    Wie soll der Betreiber eines Freifunk-AccessPoints (Router mit Freifunk-Firmware) einen Einblick bekommen, wer wann über die hinter seiner Fritz!Box i.d.R. am Gastzugang (Lan-Port 4) geschaltete Freifunk-AccessPoint sich per Wi-Fi i.d.R. über 2,4 GHz auf Kanal 1 eingebucht hat und was die Fremden da so treiben? … Man kann nur über die Freifunk-Knoten-Übersicht erkennen wieviel Geräte eingebucht sind (Anzahl der WLAN-Verbindungen zum Endkonten), aber nicht was für Endgeräte, seien es Tabletts, Laptops oder Smartphones da gerade verbunden sind und kann auch nicht dessen IP-Adressen herausfinden.

    1. kantorkel

      Über den Freifunk-Knoten könnte man schon MAC-Adressen und genutzte IP-Adressen sammeln. Aber diese Form der Vorratsdatenspeicherung dürften wir nicht einmal umsetzen, wenn wir denn wollten.

  4. mac

    moin, was heißt sie habe keinen VPN Tunnel benutzt?
    Wie sieht das bei mir aus? Ich habe das Standard Image für den W841N benutzt.
    Ist das mit VPN Tunnel?

    mac

    1. kantorkel

      Moin,

      standardmäßig gibt es Freifunk in Hamburg nur mit VPN. Andere Communities gehen aus guten Gründen andere Wege, denn solch ein VPN-Tunnel bringt halt auch overhead mit sich…

      kantorkel

  5. Martin

    Ich hoffe ihr nehmt dieses absurde Urteil zum Anlass, niemals bestehende Knoten ohne Zustimmung der Betreiber per Update auf VPN-losen Betrieb umzustellen. Wie ihr seht werden die Abmahn-Parasiten sich niemals von der Rechtslage davon abhalten lassen, Unschuldige vor Gericht zu zerren. Und manchmal trifft dann Unrecht auf Inkompetenz.

  6. Sascha

    Hab mir das Urteil durchgelesen… ich glaub da hat einer in der Familie nachtraeglich Freifunk vorgeschoben als Ausrede. Welche Familie nimmt denn bitte den Freifunk Router als Hauptrouter. Waere doch viel zu lahm. Die haben die Abmahnung kassiert wegen Sharing ueber ihren stinknormalen Telekomanschluss und sich dann irgendeine Freifunk Maerchengeschichte ausgedacht. Der Richter kam sich vermutlich veraeppelt vor und hat deshalb eher hart geurteilt.

  7. Schmuppes

    Mich beschäftigt die Thematik jetzt als Betreiber eines Freifunk-Knotens. Bin ich als Anschlussinhaber rechtlich auf der sicheren Seite, falls jemand meinen Knoten (per Tunnel angebunden) für Filesharing oder Ähnliches nutzt? Ich war immer der Meinung, dass die öffentliche IP des Übeltäters dann nicht meine private vom DSL-Anschluss ist, sondern die vom Freifunk-Netzwerk. Und dass Freifunk keine Daten herausgeben muss und wird, falls ein Rechteinhaber Informationen darüber fordert, wer hinter der IP steckt.

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